18 avril 2010

Le jeu du s'entredire



Hier erhält Schiller, der Autor der ersten programmatisch-ästhetischen Kritik der Moderne, das letzte Wort. Er entwirft in den Briefen eine Utopie, die vor dem Hintergrund der ins Barbarische abgeglittenen Französichen Revolution der Schönheit und der Kunst eine wahrhaft revolutionäre Rolle zuweist. Diese Utopie zielt freilich nicht auschliliedsslich, wie Habermas zu Recht bemerkt, aus eine ,, Ästhetisierung der Lebensverhältnisse'', sondern auch auf eine ,, Revolutionierung der Verständigungsverhältnisse'' (6, 63). Anschliessend an Kants Kritik der Urteilskraft ist Schiller am Ästhetischen als einer Form der ,, Mitteilung'' und des ,,Gemeinsinns'' interessiert. Im Streit – der häufig wirklich ein Streit ist – über ästhetische Urteile stellt sich nämlich eine ganz eigene Form von Intersubjectivität, Kommunikation und Gemeinsamkeit her.

Schiller beschreibt sie, auch darin Kant folgend, unter dem Leitbegriff des Spiels. Er versteht darunter eine Aktivität, die erstens, dem anthropologischen Ideal seiner Ezpoche folgend, die Ganzheit des Menschen zu realisieren imstande ist (denn der Mensch ,,ist nur da ganz Mensch, wo er spielt''), die sich, zweitens, im Zwischenbereich von Zwang und Zufall abspielt (denn Spiel ist das, was weder zufällig ist noch nötigt), und bei der wir drittens, als Zuschauer oder Akteure, so tun, als ob es ersnt wäre (denn im Spiel erträgt man den Ernst).

Mit den beiden letzten Charakteristika tritt die bekannte Theses in den Vorderhgrund, dass wir im ästhetischen Kontexte experimentell erproben une spielerisch einüben können was in anderen, etwa moralisch-praktischen und politischen Kontexten, dann umgesetzt werden kann, zum Beispiel das paradoxe Verhältnis von Relativismus und Absolutheit. Hier lernt man, nicht auschliesslich, aber wohl am besten, für die eigenen Überzeugungen einzustehen und für sie zu streiten, wiewohl man weiss, dass sie nich fundamentalistich zu begünden sind. Und auch das erste Charakteristikum, das Spiel und Ganzheit zusammenbringt, behält in gewisser Weise seine Funktion. Ein Streit über das, worüber sich nicht streiten lässt, eine Verständigung über das, worüber man sich nicht verständigen kann, etwa über den Kern der eigenen Lebensform, eine Verständigun also über kulturelle und subkulturelle Grenzen hinweg kann nämlich nicht allein auf formalen Elementen der Verständigung, auf einer Verfahrensrationalität beruhen. Vernünftig ist vielmehr die Integration, das heisst nun mit Kant, Schiller und Habermas das Spiel der Vernunft. Der ,,Massstab'' gelingender Versändigung besteht schliesslich nicht auch bei Habermas in einem ,,gleichgewichtigen Zusammenspiel" aller Formen der Vernunft.

Wenn es also um die Beantwortung der Frage geht, ob Kulturkritik heute noch möglich ist, darf man konstatieren : Die Bedeutung von Kulturkritik hat sich verändert. Sie kan ihre fundamlentalkritische Stimme nich mehr erheben, als käme sie von ausserhalb der Moderne und ihren Zumutungen an Kontingenz. Sie kann daher auch keinen unbedarft metaphysischen Standpunkt mehr einnehmen und sich in klassisch-philosophischen Totalitätsgesten ergehen (wiewohl die Meister dieser Gesten populärphilosophisch und feuilletonnistisch beliebt sind). Kulturkritik meint heute weniger eine Kritik der Kultur im Singular als eine Kritik der Kulturen im Plural. Und dazu bedarf sie eines Konzepts der Rechtfertigung, das ohne ästhetischen Momente nicht funktionniert.

Josef Früchtl, extraits de "Ist Kulturkritik heute noch möglich ?" I.P. 1/ 2010